Quellen von Polyamiden durch Feuchtigkeitsaufnahme

Polyamide nehmen auf Grund ihrer stark polaren Amidgruppe erhebliche Mengen an Wasser auf. Dieses wirkt bei Polyamiden als äußerer Weichmacher und verbessert ihre Zähigkeit. Obwohl Wasser ein vergleichsweise kleines Molekül ist und Kunststoffe freies Volumen innerhalb ihrer makromolekularen Struktur aufweisen, quellen Polyamide infolge der Feuchtigkeitsaufnahme.

Dieses Quellen von Formteilen aus Polyamiden stellt nicht selten eine Herausforderung bei der Auslegung von Baugruppen dar, beispielsweise bei der Auslegung von Zahnradgetrieben aus Polyamid in der Feinwerktechnik.

Phänomen der Feuchtigkeitsaufnahme

Im Folgenden werden nur für die Polyamide PA6 und PA66 betrachtet. Ähnliche Aussagen lassen sich aber auch für weitere Polyamide treffen. PA6 und PA66 können Feuchtigkeitsgehalte von über 8 Gew.-% aufnehmen, wenn sie mehrere Tage bei 80°C in Wasser gelagert werden. Bei feuchten Umgebungsbedingungen, auch Normklima, liegt die Feuchtigkeitsaufnahme bei nicht verstärktem PA6 und PA66 unter 3 Gew.-%. In der Praxis begnügt man sich in der Regel mit dem Feuchtesättigungszustand des Normklimas.

Glasfasergehalte PA6 PA66
nicht verstärkt ~3% 2,5%
15 Gew.-% 2,6% 2,2%
25 Gew.-% 2,2% 1,9%
30 Gew.-% 2,1% 1,7%
35 Gew.-% 1,9% 1,6%
50 Gew.-% 1,5% 1,4%
60 Gew.-% 1,1%
Tabelle: Feuchtesättigung von PA6 und PA66 mit unterschiedlichen Glasfasergehalten bei Normklima  (23°C, 50% rel. Luftfeuchtigkeit) – Werte aus Materialdatenblätter

Weiter reichende Informationen zum Thema Feuchtigkeitsaufnahme von Polyamiden sind in „Technische Information: Konditionieren von Fertigteilen aus Ultramid, BASF“ wiedergegeben.

Bei Formteilen aus PA6 und PA66 verändern sich die Längenmaße je nach aufgenommenem Feuchtigkeitsanteil; bei Glasfaser verstärkten Typen ist die Längenänderung in Faserrichtung deutlich geringer als quer zur Faserrichtung. Einen nahezu linearen Zusammenhang zwischen Längenänderung und Feuchtigkeitszunahme zeigt Abb. 1.

Die Längenänderung von Polyamiden bei unterschiedlichen Glasfasergehalten wurde an Normprüfplatten mit 60 x 60 mm bei einer Wandstärke von 2 mm untersucht. Die Glaserfasern waren in Folge des einseitigen Filmangusses nahezu exakt in Fließrichtung orientiert. Das Konditionieren der Prüfplatten fand bei 80°C und 90% rel. Luftfeuchtigkeit im Klimaschrank statt. Vermessen wurden jeweils die Längenänderungen längs und quer zur Faserorientierung. Diese integralen Mittelwerte sind abhängig von der Dicke der Prüfplatten, der Temperatur und der Partialdruckdifferenz für die Feuchtigkeit. Die Ergebnisse der Untersuchung, die linearen Längenänderungskoeffizienten für unterschiedliche Fasergehalte, welche in Abb. 2 für PA6 und in Abb. 3 für PA66 dargestellt sind, sind deshalb nur als Richtwerte zu verstehen.

Quantitative Abschätzung

Die linearen Längenänderungskoeffizienten af liegen für PA6 und PA66 in jeweils nicht verstärktem Zustand sowie quer zur Faserausrichtung im Bereich von 0,2 bis 0,3. Da Glasfasern das Quellen von Polyamiden behindern, liegen die Werte in Faserrichtung um oder unter 0,1. Es gilt folgender Zusammenhang:

ΔL = L · af · Δf 

Hierbei ist:

ΔL: Längenänderung [mm]

L: Ausgangslänge des Formteils [mm]

af: Linearer Längenänderungskoeffizient [ ]; Werte entnommen aus Abb. 2 und Abb. 3

Δf: Feuchtigkeitsaufnahme [Gew.-%]; hier integraler Mittelwert für 2 mm Wandstärke

Anwendungsbeispiel

Ein Rohr aus nicht verstärktem Polyamid PA6 (DN200 mit einem Außendurchmesser von Dtrocken = 225 mm) wird trocken extrudiert. Wie groß ist der Außendurchmesser bei einem integralen Feuchtigkeitsgehalt von 3 Gew.-%?

Ergebnis: ΔD = 225 mm · 0,28 · 3 Gew.-% = 225 mm · 0,28 · 3 / 100 = 1,89 mm. Der Außendurchmesser des Rohres ist bei 3 Gew.-% Feuchtigkeitsaufnahme: Dfeucht = 225 mm + 1,89 mm = 226,89 mm

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* Vater, P.: Ermittlung des Einflusses der Feuchte auf die Maßhaltigkeit von Polyamiden, Studienarbeit, DHBW Stuttgart Campus Horb, 2016.