Am 19. September 2024 fand am Campus Horb der DHBW Stuttgart der 1. Horber Plastics Future Day statt, veranstaltet vom Steinbeis Transferzentrum Institut für Kunststoff- und Entwicklungstechnik IKET.
Über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Kunststoffwelt waren zur Fachtagung gekommen, um sich über das Thema Nachhaltigkeit in der Kunststofftechnik auszutauschen und Neues zu erfahren.
In Ihrer Begrüßung würdigte Professorin Antje Katona, Leiterin des Campus Horb, den Plastics Future Day als wichtige Plattform zwischen der Hochschule und der zukunftsbestimmenden Kunststoffbranche. Sie möchte noch mehr junge Menschen für ein Duales Studium der Kunststofftechnik begeistern und wies auf die Einzigartigkeit der neu geschaffenen Studienrichtung „Digitale Produktentwicklung und Nachhaltigkeit in der Kunststofftechnik“ am Campus Horb hin.
Als Moderator der Fachtagung führte Prof. Dr.-Ing. Stefan Epple in die Thematik ein und ging noch näher auf Studieninhalte, beispielsweise die digitale Entwicklung und Konstruktion von Kunststoffprodukten, die Automatisierung in der Kunststofffertigung oder die additive Fertigung ein, die ein Studium der Kunststofftechnik besonders attraktiv machen.
Den Auftakt der Vortragsreihe machte Professor Epple mit seinem Beitrag mit dem griffigen Titel „Kunststoffzukunft”. Eine gute Nachricht hatte er vorweg: Fragt man die KI, so haben Kunststoffe durch moderne Methoden der Herstellung und Wiederverwendung ein positives Image.
Sehr lebendig zeichnete Professor Epple das Spektrum von Kunststoffen und ihr Image im Wandel der Zeit auf: Von der Sensation des ersten künstlich hergestellten Trinkhalms im Jahr 1888 über Designmöbel, die ein „moderner Mensch” in den 70-er Jahren haben musste, bis zur heutigen gängigen Wahrnehmung von „Plastik“ als Verpackungsmüll. Gleichzeitig sind Kunststoffe nachhaltig hergestellte Hochleistungswerkstoffe, die aufgrund ihrer Eigenschaften nicht nur in der Medizin- oder Umwelttechnik alternativlos sind.
In einem weiteren Punkt zeigte Professor Epple auf, wie wichtig das Abwägen der Umweltauswirkungen von Kunststoffen und der Einsatz natürlicher Ressourcen ist: In manchen Fällen, etwa bei isolierten Transportbehältern in der Luftfracht, sind Mehrwegverpackungen nicht sinnvoll, wenn sie leer zurücktransportiert werden müssen, da dieser Rücktransport den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen erhöht. Darum sind sowohl die Wiederverwendung als auch das Recycling von Kunststoffen unerlässlich. Am Campus Horb werden Forschung und Lehre im Bereich Nachhaltigkeit großgeschrieben: Professor Epple stellte das Nachhaltigkeitslabor der DHBW vor, in welchem Studierende den kompletten Recyclingkreislauf eines Kunststoffprodukts, sozusagen vom Gelben Sack bis zur neuen Stapelbox, durchführen.
Sind Kunststoffe Lösungen in der Klimakrise? Den letzten Punkt seiner Ausführungen beantwortete Professor Epple eindeutig mit Ja. So tragen sie in Gebäuden zur Energieeinsparung durch Wärmedämmung bei. In Photovoltaikanlagen sind Polymere optimale Werkstoffe zur Einkapselung von Solarzellen.
Im folgenden Vortrag referierte Monica Harting von der Remondis GmbH & Co. KG über das Kunststoffrecycling als das „neue Normal“. Technologieentwicklungen erfolgen immer dann, wenn der Markt Innovationen für ein entstehendes Produkt fordert. Besonders hervorgehoben wird die technologische Innovation, die eine nahezu vollautomatisierte, KI-gestützte Sortierung ermöglicht, um die Qualität der Rezyklate zu maximieren. So können in einer nahezu vollautomatisierten Sortieranlage Kunststoffabfälle nicht nur nach Sorte, sondern auch nach Farbe und weiteren Eigenschaften sortiert werden. Die höhere Sortierqualität steigert die spätere Produktqualität deutlich. Politische Vorgaben machte die Recycling-Expertin als wichtigen Treiber der Entwicklung aus, stellte aber auch heraus, dass Qualitätseigenschaften der sortierten Abfälle zwar eingehalten werden, der geforderte Nachweis darüber aber mit hohem Prüfaufwand verbunden ist.
In seiner Präsentation weist Dr. Dirk Textor auf die erneute Krise des werkstofflichen Kunststoffrecyclings hin, die durch mangelnde politische Unterstützung und unzureichende Recyclingquoten verursacht wird. Trotz des erheblichen Potenzials des Recyclings bleibt eine große Lücke zwischen der verarbeiteten Kunststoffmenge und dem tatsächlich recycelten Material. Dr. Textor fordert dringend Maßnahmen wie die Förderung von Design-for-Recycling und die Verbesserung der Sortierqualität um die Wiederverwertungsrate zu steigern. Er kritisiert zudem das Fehlen geschlossener Materialkreisläufe und betont die Notwendigkeit einer strukturellen Veränderung im Kunststoffrecycling
Die Herausforderungen bei der Verarbeitung von Mahlgütern war das Thema von Dr.-Ing. Linda Trosse von der Lehmann & Voss & Co. KG / WMK Plastics GmbH. Sie berichtete über die Herausforderung, aus sehr unterschiedlichen Qualitäten und Zusammensetzungen der Rohstoffe immer gleichbleibend gute Produkte für die Kunden herzustellen. Der Prozess der Aufbereitung muss hier jedes Mal und in Echtzeit angepasst werden. Sie stellte in diesem Zusammenhang vor allem auch den hohen Qualifizierungsgrad des Personals heraus und verdeutlichte den Stellenwert eines guten Labors.
Über Herausforderungen und Lösungen beim Recycling mit einem Doppelschneckenextruder referierte Dan Zebergs von der Coperion GmbH. Er ging vor allem auf die Herausforderungen ein, die unterschiedliche Mahlgüter an die Zudosierung stellen. So müssen Folienschnipsel ganz anders behandelt werden als geschredderte Angüsse. Er zeigte außerdem eine innovative Möglichkeit, anhaftende Feuchtigkeit effizient während des Transports zum Compounder zu trocknen. Als besondere Technologie zeigte der Experte des Maschinenherstellers eine Möglichkeit, die Schmelze über ein zusätzliches By-Pass-Aggregat in der Mitte des Prozesses zu filtern. Als Vorteil nannte er in diesem Zusammenhang, dass die Schmelze gefiltert werden kann und es trotzdem möglich ist, Zusatzstoffe hinzuzufügen, die bei einer Filterung am Ende der Anlage, wie sie üblich ist, wieder verloren gehen würden. Gegenüber anderen Lösungen sei diese Lösung zudem sehr energieeffizient.
In einem weiteren Vortrag zum Thema PVC-Recycling in der Fensterprofilbranche stellte Dr.-Ing. Kast von der aluplast GmbH Kunststoff-Fenstersysteme die Fensterprofilextrusion als Vorreiterbranche im Kunststoffrecycling vor. Er zeigte auf, wie es möglich ist, auch Kunststoffe, die teils viele Jahrzehnte im Einsatz waren, wieder in neuen Fenstern einsetzbar zu machen. Außerdem zeigte er, wie sich unterschiedliche Hersteller desselben Produkts zusammenschließen können, um gemeinsam und selbstverpflichtend das Recycling voranzutreiben. Auch auf die technischen Herausforderungen ging Dr.-Ing. Kast ein. Dem Publikum erschloss sich so auch eine völlig neue Sicht auf die heimischen Fenster, was ein Teilnehmer auch positiv äußerte.
In einer abschließenden Diskussion würdigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Plastics Future Day als lebendiges Format für positive Impulse, Denkanstöße und Lösungsansätze, das im nächsten Jahr fortgeführt wird.