Chemisches Schäumen beim thermoplastischen Spritzgießen

Chemisches Schäumen bei thermoplastischen Kunststoffen ist seit Jahren Stand der Technik. Allen Schäumverfahren liegt eine mit Treibmittel beladene Schmelze zugrunde. Beim chemischen Schäumen wird dem Kunststoffgranulat ein Treibmittel in Form eines Masterbatches zugesetzt, das im Bereich der Schmelztemperatur Stickstoff oder Kohlendioxid abspaltet.

Verfahrenstechnisch ist das chemische Schäumen weitgehend identisch mit dem konventionellen Spritzgießen. Ein Vergleich des chemischen mit dem physikalischen Schäumen sollte nicht ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte erfolgen.

Vorteile von geschäumten Kunststoffteilen

Unabhängig davon, wie das Treibmittel in die Schmelze eingebracht wird, ergeben sich für den Anwender folgende Vorteile:

  • Die Funktion des Nachdrucks übernimmt das Treibmittel. Das Ergebnis sind Formteile mit

– weniger Einfallstellen,

– deutlich geringerem Verzug und

– geringerem Gewicht sowie

– geringere Zuhaltekräfte an der Spritzgießmaschine.

  • Durch die Beladung von thermoplastischen Schmelzen mit einer Gasphase werden diese in einen überkritischen Zustand versetzt. Die damit verbundene Verringerung der Schmelzeviskosität bietet folgende Möglichkeiten:

– Verringerung der Wanddicke der Formteile bei gleichbleibender Schmelzetemperatur oder

– Reduzierung der Schmelzetemperatur bei gleicher Wanddicke der Formteile oder

– Herabsetzen der erforderlichen Zuhaltekräfte an der Spritzgießmaschine.

Einschränkungen für geschäumte Formteile

Den Vorteilen stehen folgende Einschränkungen gegenüber:

  • Reduzierung der mechanischen Eigenschaften: Die mikrozellulare Struktur verändert die mechanischen Eigenschaftskennwerte der verwendeten Kunststoffe. Die prozentuale Abnahme der Festigkeitskennwerte (Bruchfestigkeiten und Elastizitätsmodule) im Zugversuch und im Schlagversuch beträgt in etwa das Doppelte der Gewichtsreduzierung. Bei kritisch ausgelegten Bauteilen muss die verfahrensbedingte Materialeinsparung durch eine entsprechende Überdimensionierung mehr als nur ausgeglichen werden. Eine Materialreduzierung ist daher allenfalls bei beanspruchungsunkritischen Formteilen gegeben.
  • Schlieren an der Oberfläche. Als Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schlieren an der Oberfläche haben sich folgende Punkte bewährt:

– Laserstrukturierung der Werkzeugoberfläche

– Variotherme Werkzeugtemperierung

– Anpassung der Prozessparameter (schnelleres Einspritzen etc.)

– Einspritzen gegen Gaspolster in der Kavität (in der Praxis schwierig umzusetzen)

– Hinterspritzen von Dekormaterialien und Folien

Die in diesem Zusammenhang oft angeführte Kühlzeitreduzierung muss gesondert betrachtet werden. Folgende Umstände verkürzen zwar die Kühlzeit:

  • Wärmeabfuhr durch endotherme Reaktion des Treibmittels
  • Wegfall des Nachdrucks: keine weitere Schwindungskompensation durch Nachdrücken der heißen Schmelze in die Kavität.
  • Möglichkeit der Wanddickenreduzierung durch verbesserte Fließfähigkeit der begasten Schmelze
  • Reduzierung der Reibungswärme (insbesondere im Anschnitt) durch bessere Fließfähigkeit der Schmelze

Dem steht jedoch gegenüber, dass der geschäumte Thermoplast die Schmelzewärme deutlich schlechter an die Werkzeugoberfläche abführt.
Eine Kühlzeitverkürzung ist in der Regel nur bei dünnwandigen Formteilen und optimaler Werkzeugtemperierung zu erwarten!

Kostenvorteile sind abhängig von den Randbedingungen

Folgende Randbedingungen sind für einen Kostenvergleich zwischen chemischem und physikalischem Schäumen relevant:

  • Höhere laufende Kosten für Treibmittelbatch (ca. 5 €/kg); Dosierung 2 – 4%
  • Geringe Einmalinvestition für Verschlussdüse oder Heißkanal mit Nadelverschluss sowie Dosiergerät
  • Hohe Einmalinvestitionen (für modifizierten Plastifizierzylinder und Begasungseinheit sowie Verschlussdüse)

Chemisches Schäumen bei thermoplastischen Kunststoffen hat bei kleinen Stückzahlen Kostenvorteile gegenüber dem physikalischen Schäumen (siehe Grafik oben).

Für das physikalische Schäumen spricht dagegen, dass

  • das chemische Schäumen nur im unteren bis mittleren Schmelztemperaturbereich (bis ca. 250 °C) geeignet ist,
  • eine feinere, gleichmäßigere Schaumstruktur ergibt und
  • sowohl für gefüllte/verstärkte als auch für ungefüllte Thermoplaste wie PA, PC, PP, PC/ABS, PPO, PBT, PPS und TPU eingesetzt werden kann.

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